Stefan Inauen

Stefan Inauen, *1976, lebt in Weissbad
www.stefaninauen.com

2005
Werkbeitrag Innerrhoder Kunststiftung

Arbeiten im Hotel Hof Weissbad, Weissbad

 

Knusperhäuschen – das habe ich gedacht, als ich mich das erste Mal jenem Areal näherte, in dem unter anderem auch die Käserei des Hotels liegt und von dem aus ein Waldlehrpfad zum „Ende der Welt“ führt. Der Künstler Stefan Inauen öffnete mir dann die Tür zu dem 1953 erbauten Schützenhaus, inzwischen Lagerstätte, Rumpelkammer oder vielleicht auch verwunschener Ort mit Wasserrauschen, Moos und Blumen in den Dachrinnen, grün verbleichten Fensterläden, verwittert idyllisch …

Drinnen: keine kindliche Märchenhaftigkeit mehr, sondern die Begegnung und Austausch von Objet trouvé, dem Stauraum, und Imaginationsräumen, den künstlerischen Träumen. Inauen lässt auf den Wänden links vom und gegenüber des Eingangs eine „Commedia dell’Arte“, ein Maskentheater erscheinen, Wandmalerei und Beschwörung zugleich. Das äusserst bunte Treiben (obwohl das Wandbild mit der Airbrush-Pistole in Schwarz auf die weiss grundierte Fläche aufgetragen ist) wuchert – formal und inhaltlich: Kunst als Flugmoos, mithilfe des Luftpinsels in alte Gemäuer injiziert, auf gegebene Gegenstände gepustet, neues Leben, frische Lebendigkeit auslösend. Illusionistische Malerei wechselt mit ornamentaler Flächigkeit; Kassettenmalerei wird zum Comic-Strip; mittelalterliche Moritatentafeln zerfliessen in Mustern; Inauens visueller Bänkelgesang stimmt das hohe Lied vom Niederen an: selbstverständliche Eulenspiegelei.

Spontan und im gleichen Augenblick vielschichtig spielt der Künstler mit kulturellen, mit topo-graphischen, mit ikonologischen, mit individuellen und mit gesellschaftlichen Zeichen, Codes oder sonstigen, nicht nur optischen Verweissystemen, in denen Kindheitserinnerungen, Traditionen, Kunstgeschichte, Religion, (Alb-) Träume, Realitäten, Mystisches und Banales […] aufleuchten, teils weitergeführt, teils zitiert, teils verrätselt, teils ironisiert, teils befragt, teils collagiert werden. Das semiotische Dreieck (Begriff-Symbol-Ding) kreiselt um sich selbst, um uns herum, in Schwung gebracht von dem zeichnenden Künstler, der mit den Signets von Geburt und den Metaphern von Tod, man schaue nur auf die Skizzen auf dem Fussboden, jongliert, vielleicht auch einen Bildersturm entfacht – immer im Versuch, das Ganze dazwischen, das Leben, das schon längst und vielleicht begreiflicherweise aus allen Fugen geraten ist, im Gleichgewicht zu halten.

Stefan Inauen antwortet mit seinen Mitteln, eben den bildnerischen, auf den konkreten Raum, aber auch auf die kulturelle Verfasstheit der Welt. Den Dialog – den Gleichklang und den Widerspruch – zwischen Innen und Aussen, zwischen Imagination und Faktizität erlebt man besonders schön, ausgesprochen intensiv, wenn man im Schützenhaus, eigentlich dem Schiessraum, auf einer Bank an einem Tisch sitzt und durch die bei schönem Wetter (hoffentlich) geöffneten Flügeltüren in Richtung Wissbach schaut. Dann wird man zur sich selbst bewussten Schnittstelle eines Blicks auf die Welt, der diese sentimental romantisiert, und einer in der Tradition der künstlerischen Romantik stehenden Bilderzählung, einer fast seismographischen Sensibilität für das Wunderbare und das Wunderliche.

Roland Scotti

Kurator, Kunstmuseum Appenzell

 

Ausbildung

UdK Berlin